Bei der Fischwanderung werden Wasserkraftwerke oft zur Sackgasse. Im grössten IBI-Kraftwerk wurde viel getan, damit die Fische passieren können.  

NachhaltigkeitAusgabe:
75/2024
Bild: Fachstelle Ökologie, KWO
Bild: Fachstelle Ökologie, KWO

Bei der Fischwanderung werden Wasserkraftwerke oft zur Sackgasse. Im grössten IBI-Kraftwerk wurde viel getan, damit die Fische passieren können.  

Jedes Jahr wandern Fische in der Aare stromaufwärts zu ihren Laichplätzen. Auf dem Weg vom Thuner- in den Brienzersee durchqueren sie das Bödeli, wo es einige Wasserbauten zu überwinden gilt. Damit die Fische sie passieren können, bestehen beim Wasserkraftwerk Gurben und den Schleusen in der Aare sogenannte Fischwanderhilfen. Weil die Aare unterhalb des Kraftwerks Gurben im Winterhalbjahr weniger Wasser führt als der auf Seehöhe liegende Schifffahrtskanal, geht man davon aus, dass die Fische vor allem den Kanal als Wanderkorridor bevorzugen. Am Kanalende gegenüber des Bahnhofs Interlaken West blieb den Fischen aber bis im August 2022 der Aufstieg in die Aare verwehrt. Das IBI-Wasserkraftwerk, es nutzt das Gefälle zwischen Aare und Schifffahrtskanal für die Produktion von Ökostrom, stellte bis dahin eine unüberwindbare Barriere für die Fische dar.  

IBI-Wasserkraftwerk am Schifffahrtskanal: Bis im August 2022 gab es für Fische keine Möglichkeit, in die Aare aufzusteigen
IBI-Wasserkraftwerk am Schifffahrtskanal: Bis im August 2022 gab es für Fische keine Möglichkeit, in die Aare aufzusteigen

Pilotanlagen in Interlaken 

Im Jahr 2009 wurde in der Schweiz die Änderung des Gewässerschutzgesetzes angenommen und damit der Grundstein gelegt für einen Gewässerschutz, der Schutz- und Nutzungsinteressen berücksichtigt. Die sogenannte “Sanierung Wasserkraft” schreibt unter anderem vor, die Fischgängigkeit im Bereich von Wasserkraftwerken mit Auf- und Abstiegshilfen zu gewährleisten. Fische sollen auf der Wanderung zu ihren Laichplätzen nicht behindert werden. Inhaber von Wasserkraftanlagen sind deshalb verpflichtet, im Bedarfsfall bis zum Jahr 2030 entsprechende Sanierungen einzuleiten. 
 

Handlungsbedarf bestand auch beim Kraftwerk am Schifffahrtskanal. Im Zuge eines Variantenstudiums wurden zwei Systeme ausgewählt: eine Fischschleuse für den Aufstieg in die Aare und eine Anlage mit Fischheberinne für den Abstieg in den Schifffahrtskanal. Nachdem die kantonalen Fachstellen die Anlagen bewilligten und deren Finanzierung zusagten, wurden sie gebaut und im September 2017 in Betrieb genommen. Wie bei Pilotanlagen dieser Art üblich, musste die Funktionalität auf Verlangen der Behörden mit einer detaillierten biologischen Wirkungskontrolle überprüft werden.  

Schleuseneingang im Schifffahrtskanal
Schleuseneingang im Schifffahrtskanal
Blick von oben in die Fischschleuse
Blick von oben in die Fischschleuse

Technische Hürden und ein Kraftwerksumbau 

Die Abstiegshilfe wurde von der Universität Kassel entwickelt. Die Fische sollten in einer Art Wanne eingesammelt und über ein grosses Rohr hinab in den Schifffahrtskanal gespült werden. Kaum war die Anlage in Betrieb, führten technische Probleme regelmässig zum Abschalten der Kraftwerksturbinen. Da es der Herstellerfirma nicht gelang diese Probleme zu lösen, wurde die Anlage mit dem Eiverständnis der Behörden im Sommer 2018 wieder demontiert. In der Folge untersuchte man verschiedene Alternativen für einen Fischabstieg. Jedoch wurde gemäss dem heutigen Stand der Technik keine verhältnismässige Lösung gefunden und deshalb bis heute keine Fischabstiegsanlage realisiert.  

Bau der Fischabstiegshilfe: rechts mittig im Bild die Heberinne
Bau der Fischabstiegshilfe: rechts mittig im Bild die Heberinne

Im Gegensatz zur Fischabstiegshilfe schien die Schleuse für den Fischaufstieg aus technischer Sicht zu funktionieren. Im Oktober 2018 wurde mit ersten Aufstiegskontrollen mittels Fischzählbecken am Schleusenausgang gestartet. Bald darauf traten aber auch bei dieser Anlage technische Probleme auf. Weil zugleich die Erneuerung des Kraftwerks anstand, entschieden alle Beteiligten, die Erhebungen per Ende Oktober 2018 abzubrechen und die biologische Wirkungskontrolle erst nach Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks durchzuführen.  

Beginn der Wirkungskontrolle 

Nach dem Kraftwerksumbau konnte Anfang September 2022 mit den Kontrollen begonnen werden. Das im Jahr 2017 gebaute Fischzählbecken kam dabei erneut zum Einsatz. Ein zusätzliches Videomonitoring diente über einen Zeitraum von 272 Tagen und Nächten der Untersuchung des Fischverhaltens. Dabei wurden alle registrierten Fischbewegungen ausgewertet, um das Verhalten der Tiere während dem Aufstieg in die Aare zu beurteilen. Das Monitoring wurde durch das Umweltbüro Aquarius und der Fachstelle Ökologie der Kraftwerke Oberhasli AG geplant und mit Hilfe der Pachtvereinigung Interlaken und der IBI realisiert. Die Begleitgruppe bestand neben den Auftragnehmern aus Vertreter*innen des Bundesamts für Umwelt (BAFU), des Fischereiinspektorats des Kantons Bern und der IBI.  

Aufstiegskontrollen im Fischzählbecken
Aufstiegskontrollen im Fischzählbecken

12 Arten wandern 

Zwischen September 2022 und Juni 2023 konnte die erfolgreiche Passage von über 9’000 Fischen nachgewiesen werden. Von den 21 potenziell vorkommenden Fischarten nutzen 12 den Fischaufstieg: Seeforelle, Bachforelle, Äsche, Barbe, Alet, Hasel, Laube, Felchen, Hecht, Egli, Trüsche und Groppe. 

Felchen vor dem Schleuseneingang im Schifffahrtskanal
Bild: Fachstelle Ökologie, KWO
Felchen vor dem Schleuseneingang im Schifffahrtskanal
Bild: Fachstelle Ökologie, KWO
Eine Seeforelle wird von der Überwachungskamera erfasst
Bild: Fachstelle Ökologie, KWO
Eine Seeforelle wird von der Überwachungskamera erfasst
Bild: Fachstelle Ökologie, KWO

So funktioniert die Fischschleuse 

  1. Zwei Lockstrompumpen verstärken die Leitströmung im Bereich des Einstiegs zur besseren Auffindung für die Fische 

  2. Der Schieber im Unterwasser, Einstieg in die Schleuse im Schifffahrtskanal 

  3. Die Schleusenkammer dient den Fischen als „Fahrstuhlkabine“ vom Unterwasser ins Oberwasser 

  4. Der Schieber Oberwasser bildet den Ausstieg von der Fischschleuse ins Oberwasser 

  5. Im Zählbecken können die Fische gefangen, bestimmt, vermessen und gezählt werden. 

  6. Vom Zählbecken gelangen die Fische ins Oberwasser - die Aare 

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